Neue Publikation: „The concept of “genetic responsibility” and its Meanings“ von Jon Leefmann et al.
Der Aufsatz untersucht systematisch die Verwendung des Begriffs „Genetische Verantwortung“ in qualitativen medizinsoziologischen Studien zum Umgang mit genetischer Information. Es wird gezeigt, dass sich die Zuschreibung von genetischer Verantwortung auf unterschiedliche Akteure (Individuum, Familie, Eltern, Klinikpersonal, Institutionen des Gesundheitswesen) bezieht und dass trotz dieser Diversität zwei Hauptkonzeptionen Genetischer Verantwortung den Diskurs dominieren: ein rational-prinzipienorientiertes Verständnis und ein affektiv-relationales Verständnis. Beide Verständnisweisen bilden sinnvolle Analysekategorien für soziale und ethische Aspekte des Umgangs mit genetischer Information. Gleichzeitig fehlt in vielen der untersuchten Studien eine theoretische Reflexion dieser häufig verwendeten Kategorien, was zu einer gewissen Vagheit und Heterogenität des Begriffs „genetischer Verantwortung“ beiträgt. Zudem fehlen im Zusammenhang genetischer Verantwortung empirische Studien, die den Einfluss sozio-kultureller Unterschiede auf die Zuschreibungspraxis von genetischer Verantwortung reflektieren. Eine Reflexion der normativ-theoretischen Prämissen, die hinter der Verwendung des Begriffes in qualitativen medizinsoziologischen Studien stehen, könnte helfen die verbreitete Heterogenität und Vagheit der Begriffsverwendung zu vermeiden und zu einer fokussierten und differenzierten Debatte über den Umgang mit genetischer Information beitragen.